Tu felix Austria
deine Felsen von gleißender Schwere
deine Wälder – duftend und drohend
deine Hochebenen und Täler
gequetscht vom ewigen Eis
und dann wieder frei und blühend
Heimat von Edelweiß und Enzian
lange vor Menschen und Unmenschen
lange, unendlich lange
frei und grenzenlos
grenzenlos und frei
durchstreift von genügsamen Menschen
voller Bilder und Tiere und Geschichten
grenzenlos und frei
andere mögen Kriege führen
Du nicht, grenzenlos und frei
viele Menschen kamen
viele Menschen gingen
viele Menschen liebten einander
auf Fels und Eis
zwischen Latschenkiefern und Enzian
einige blieben, von weit her kamen sie
aus warmen, südöstlichen Gefilden
sie säten und ernteten
und ihre braune Haut glänzte in der Sonne
und die Felder gediehen prächtig
Irgendwann ging es schnell
Dörfer, Städte, Besitz und Gewalt
und die Frauen am Herd
die Männer mit dem Stock in der Hand
Kriege mögen die anderen führen
Aber wir führen sie trotzdem
Viele kommen, viele gehen, viele bleiben liegen
dennoch gibt es immer Liebe
und Vermischung und romantische Träume
du, glückliches Österreich, heirate!
Du glückliches Österreich, heirate
nicht die erst beste, die, die am meisten mitbringt
in die Ehe, in die territoriale Ehe
zum Ruhm und zur Ehre Habsburgs -
und später der Deutschen
Du – modernes Österreich, heirate
nur zwischen deinesgleichen
damit das Blut rein bleibt und deutsch
und die Haut bleich wie eine Krankheit
aus Angst vor dem Fremden
Du – Österreich der Grenzen,
der genau abgezählten Quadratmeter,
andere mögen Kriege führen,
Hauptsache, wir verdienen dabei
und keiner kommt auf die Idee, bei uns Zuflucht zu suchen.
Denn Österreich ist klein -
winzig geworden und eng
voller Zorn und Gier und Eigennutz
andere mögen Kriege führen
wir schauen auf unser schönes Land
Voller Glück und voller Angst
oh du glückliches Österreich
Insel der Seligen
alles würden wir tun, um dich
in unseren absterbenden Händen zu zerquetschen
wir führen nur Kriege gegen die Menschlichkeit
und gegen die Liebe
wir sind die Grenzbewacher, die Landraffer,
wir laufen in die Berge davon,
weil wir uns selbst nicht aushalten
und kommen zurück
mit einem Lächeln auf dem Gesicht
denn die Berge sind schön
sie warten nur -
auf einen Menschen
Gerd Schmidinger, Januar 2025